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Klassik und Design
Das Postdoktoren-Projekt Klassik und Design: vom Umgang mit Dingen will untersuchen, ob und wie Design unser ästhetisches Empfinden und unsere Wahrnehmung im alltäglichen Umfeld als Orientierungsmuster prägt. Die dabei zu prüfende These, ob Design nicht nur die Objekte, sondern gleichsam auch die Umwelt formt, in der diese Objekte in Erscheinung treten, spannt einen Bogen zwischen Kulturwissenschaft, Kunst- bzw. Designgeschichte und philosophischer Ästhetik. Es geht mit anderen Worten darum, Design als wichtigen Teil einer ästhetischen Signatur von Gesellschaft sichtbar machen zu wollen. Das Design soll damit also in seiner bedeutungs- und wissenskonstitutiven Dimension erfasst werden. Die Perspektive verschiebt sich entsprechend von einem "passiven Standpunkt" - im Sinne eines bloßen Handhabens der designten Dinge - zu einem "aktiven Standpunkt", wonach unterstellt wird, dass das Design die Wahrnehmungs- und im Zuge dessen, die Denkweisen nachhaltig prägen kann. Kurz gesagt, soll das Phänomen Design in seiner strukturierten und zugleich strukturierenden Dimension erfasst werden.
Dass dabei insbesondere das 'Staatliche Bauhaus' in den Fokus rücken soll, ergibt sich aus der Gesamtanlage des Projektes: Das Bauhaus kann als ein gesellschaftliches Orientierungsmuster definiert werden, das für den Gegenstand 'Design' wie kein zweites klassisch im Sinne von musterbildend gewesen ist. Zum anderen zeigt sich aber gerade am Bauhaus, das dasjenige, was rückblickend und in Bezug auf den Gegenstand 'Design' vorbildlichen Charakter hatte, in Bezug auf die Absichten der Bewegung geradezu gegenläufige Tendenzen aufweisen sollte. Als populäres Phänomen kann das Bauhaus damit nur in Relation zu einer Designgeschichte beschrieben werden. Vor dem Hintergrund der Bewegung, aus der heraus es sich entwickelt hat, kann das Bauhaus allerdings nur als ein Krisenphänomen betrachtet werden. Entsprechend wird es nicht darum gehen, neuerlich über klassisches Design zu sprechen, sondern das Bauhaus soll im Kontext dieser Studie als ein paradigmatisches Beispiel fungieren, dass das im Gesamtprojekt unterstellte und in der Studie herauszuarbeitende Spannungsverhältnis der 'Klassik' zwischen Krise und Popularität bemerkenswert anschaulich zum Ausdruck bringen kann. -
Ballade
Gegenstand des Projekts ist die Gattung Ballade in unterschiedlichen Erscheinungs-formen, die sie in der Lyrik (bis hin zu Slam Poetry) oder in der Popmusik (v.a. Rock, HipHop) annimmt. Neben formalen Alleinstellungsmerkmalen (narrative Struktur, Vers, lineare, konzise in einprägsamen Szenen dargestellte Handlung, performatives Potenzial) werden diese heterogenen Phänomene durch eine gemeinsame Funktion verbunden: Ob im großen Rahmen ideologisch vorbelasteter Begriffe wie „Volk“ oder „Nation“ oder im kleinen subkultureller Milieus – so die These -, erfüllen Balladen die Funktion der kollektiven Identitätsstiftung. Sie tun dies indem sie überwiegend a) menschliche Widerfahrnisse thematisieren b) kollektive Mythen transportieren c) Werte und Normen verhandeln d) Handlungsorientierung anbieten e) emotionserzeugend sind f) dank des performativen Potenzials in unterschiedlichen medialen Kontexten adaptierbar (Rezitation auf Tonträgern oder in Schulen, Chorauftritt, Liveauftritt, Anthologie, Musikclip).
Die Funktion kollektiver Identitätsstiftung wird mit den Balladensammlungen etwa in Irland (Thomas Percy: Reliques of Ancient English Poetry, Cosisting of old heroic Ballads, Songs and other Pieces of our earlier Poets (chiefly of the Lyric Kind), together with some few of later date 1765), Schottland (‚gefälscht‘ aber ungeheuer erfolgreich Hugh Blair: Fragments of Ancient Poetry 1760) oder Deutschland (Herder: Volkslieder (1778/79 bzw. als Stimmen der Völker in Liedern 1807) erkannt. Kurz darauf entstanden europaweit Balladen (Balladenjahr Goethe/Schiller 1797; Coleridge/Woodsworth: Lyrical Ballads 1798; Adam Mickiewicz: Ballady i romanse 1822), die zu den Klassikern der jeweiligen Nationalliteraturen zählen. In dieser Zeit wird die Gattung Objekt von Theorienbildung, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert ebenso reiche Früchte trägt wie die Balladenproduktion selbst.
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Klassik und Avantgarde
Das Dissertationsprojekt Klassik und Avantgarde: Prinzipien der Entwicklung wendet sich explizit einem Entwicklungsprinzip zu, das in allen vier Teilprojekten implizit thematisiert ist: nämlich der These, dass sich ein Großteil dessen, was heute im Status steht, zur klassischen Kunst zu zählen, zur Entstehungszeit der jeweiligen künstlerischen Avantgarde zugeordnet wurde. Wenn sich dieses Prinzip belegen ließe, dann könnte gesagt werden: Klassische ästhetische Phänomene entstehen aus einer Popularisierung der Avantgarde. Das Bemerkenswerte ist nur, dass sich die Avantgarde in der Regel selbst schon als eine Antwort auf eine in die Krise geratene klassische Kunst versteht, also eine Reaktion auf Klassikvorstellungen ist.
Auf der Basis dieser Ausgangshypothese wendet sich das Dissertationsprojekt explizit der Aufgabe zu, das komplexe Verhältnis Avantgarde zur Klassik und Popularität zu beschreiben. Dies soll zum einen philosophisch-systematisch geschehen, aber zum anderen auch durch Sichtung und Berücksichtigung der diesbezüglich einschlägigen ästhetischen Theorien, welche sich insbesondere in den Werken von Adorno, Bürger und Brock finden lassen.
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Klassikergedenkfeiern des 20. Jahrhunderts
Permanenz und Mutationen der Figuren Goethes, Beethovens und Hugos
Neben der Kanonisierung ihrer Werke durch Schule, Universität, Verlagswesen oder Kulturinstitutionen bieten Jubiläen in periodischen Abständen den Anlass, Klassiker in ihrer gesellschaftlichen Funktion zu bestätigen und für eine breite Öffentlichkeit zu reaktivieren. Die Todes- und Geburtsjahre von Goethe, Beethoven und Hugo werden im 20. Jahrhundert in Deutschland und Frankreich in unterschiedlichen Ausmaßen gefeiert und bringen dabei eine Fülle an Reden, Essays und Werken hervor. Solche Gelegenheitsliteratur ermöglicht es, die anhaltende Bedeutung dieser drei Bezugsgrößen der europäischen Kultur sichtbar zu machen. Gleichzeitig öffnen die Feierlichkeiten auch einen Raum, in dem die Figuren Goethes, Beethovens und Hugos und ihre Wirkung in den Bereichen des öffentlichen Lebens bewertet, adaptiert, aktualisiert und für eine neue Zeit geltend gemacht werden können.
In der Dissertation werden zwei Zyklen von Gedenkjahren der Zwischen- und Nachkriegszeit (1927, 1932, 1935 einerseits; 1949, 1952, 1970 andererseits) gegenübergestellt, um eine Reihe von Vergleichen anstellen zu können. Die Konfrontation zwischen zwei Epochen, die maßgeblich durch die Erfahrung des europäischen Faschismus getrennt sind, soll es zunächst ermöglichen, Unterschiede im Umgang mit Klassikern in sich rasch entwickelnden Gesellschaften zu bestimmen. Dieser Querschnitt durch die Geschichte der Klassikerrezeption im 20. Jahrhundert wird durch die vergleichende Betrachtung der deutschen und französischen Sprachräume ergänzt. Dabei wird ebenfalls die Frage nach Funktion und Resonanz nationaler Klassikerfiguren außerhalb ihres ursprünglichen Wirkungskreises gestellt. Schließlich werden die medialen Differenzen zwischen den Werken der Schriftsteller Goethe und Hugo einerseits, des Komponisten Beethoven andererseits ins Auge gefasst um ihre Rolle im Kontext einer nationalen und übernationalen Klassikerrezeption prüfen zu können. Das Anliegen des Dissertationsvorhabens ist es, durch die Untersuchung einer gesellschaftlichen Kulturpraxis, wie sie Klassikerfeiern darstellen, Klassik als populäres und kumulatives Rezeptionsphänomen in seiner Materialität zu erfassen.
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[Tagung] Die vielen "Sprachen" der Klassiker
Die vielen Sprachen der Klassiker. Eine medienorientierte Perspektive
21. Weltkongress der International Comparative Literature Association (21. - 27. Juli 2016, Wien) - Sektion 17308
Literarische Klassiker wurden meist in einem nationalen Rahmen als solche etabliert und rezipiert, sodass sie oft lediglich als (hegemoniale) Vertreter der einzelnen Nationalliteraturen wahrgenommen wurden. Dabei spielen sie eine nicht minder wichtige Rolle als Kulturvermittler: Indem sie beständig in neue Kontexte ‚über-setzt‘ werden, prägen Werke, die als klassisch gelten, maßgeblich die Vorstellungen von fremden Kulturen und vergangenen Epochen. Solche Transferprozesse verlaufen in erster Linie anhand von Übersetzungen, besitzen aber eine weitaus größere „Sprachenvielfalt“. Für die Sektion können Überlegungen zu Theateraufführungen, Vertonungen, Parodien, Verfilmungen, Comics – um nur einige der möglichen medialen Adaptionsformen von Klassikern zu nennen – eingereicht werden.
Jede der „Sprachen“ eröffnet neue Interpretationsräume für die klassischen Werke aber auch den Zugang zu neuen Zielgruppen. Im Rahmen des Workshops sollen diese unterschiedlichen „Sprachen“ auf ihre jeweiligen Funktionen im Prozess des kulturellen Transfers untersucht werden, wobei Rezeptionsformen in populärkulturellen Medien besonderes Interesse gilt. Wie beeinflusst beispielsweise die Form des Manga-Comics die Wahrnehmung eines Klassikers wie Faust in Japan? Welche Funktionen erfüllen scherzhafte Übersetzungen von Schillers Balladen im 19. Jahrhundert oder aktuelle multilinguale Performances griechischer Tragödien? Solche „Über-Setzungen“ von Klassikern können als subversive Gesten gegen die Institution des Kanons verstanden werden, die den Anspruch der Deutungshoheit eines bürgerlichen Milieus oder einer von „männlichen Weißen“ dominierten Literaturgeschichtsschreibung unterlaufen. Sie können zugleich von der anhaltenden Aktualität der Klassiker zeugen und so die Institution des Kanons implizit bestätigen.
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[Tagung] Klassiker der Gegenwart in Polen und Deutschland
Klassiker in der Gegenwart in Polen und Deutschland. Literatur- und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf ein ästhetisches und gesellschaftliches Phänomen
Eine Tagung der Universitäten Jena (D) und Wroclaw (PL) (12.-14. Mai 2016, Wroclaw)
Die großen, kanonisch gewordenen Nationalklassiker prägen bis heute das nationale Selbstverständnis, werden in Krisenzeiten als Orientierungsgrößen angeführt und in Jubiläen publikumswirksam inszeniert. Sie sind im kulturellen Transfer zu Flaggschiffen ihrer Nationen geworden, repräsentieren die jeweilige Kultur und dominieren manchmal ihr Bild. Sie werden in breiten Gesellschaftsschichten rezipiert, über unterschiedliche kulturelle Räume, Milieus und historische Kontexte hinweg institutionalisiert, medialisiert und dabei jeweils unterschiedlich funktionalisiert. Als kulturelle ‚Ikonen‘ werden sie nahezu universell anerkannt, besitzen zugleich in unterschiedlichen Zusammenhängen konkrete, differierende Funktionen.
Gleichzeitig erleben wir in gegenwärtigen Gesellschaften eine stetig zunehmende Pluralisierung, wir sprechen von einem postnationalen Zeitalter und Globalisierung, entwickeln Konzepte wie „Worldliterature“ oder „World Cinema“ oder „entdecken“ die postkoloniale Kultur und ihre Klassiker. Die Hegemonie des westlichen Kulturkanons gerät in die Kritik, in deren Folge eine Vielzahl an Klassikern sichtbar wird, die ihre Geltung in kleineren Rahmen behaupten. Literatur, Mode, Design, Film, Musik oder bildende Künste haben ihre Klassiker: Werke, Künstler, Autoren, Denker, die für das jeweilige Kultur-Feld oder soziale Milieu Bezugsgrößen geworden sind. Werden die großen, universellen Klassiker brüchig, wenn sie ihren alleinigen Geltungsanspruch verlieren, oder wird in der Vielzahl gerade der gesellschaftliche Bedarf nach Klassikern sichtbar?
In einzelnen Fallstudien ist der Frage nachzugehen, wie Klassiker in einem Spannungsfeld aus breiter, konsensueller Anerkennung und einem damit verbundenen allgemeinen Geltungsanspruch einerseits und partikularen Funktionen für einzelne Zielgruppen und in unterschiedlichen soziohistorischen Kontexten andererseits verortet werden können.
Von besonderem Interesse ist die Zäsur 1989, weil sich im Zuge der politischen und kulturellen Neuordnung auch eine Neuformierung des Klassikerkanons, eine Emergenz neuer Klassiker sowie veränderte Ansprüche an die Funktionalität von Klassikern beobachten lassen. Diese Veränderungen gilt es in einer dezidiert komparatistischen Perspektive innerhalb der deutschen und polnischen Kultur nachzuvollziehen.
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[Sammelband] Klassik als kulturelle Praxis
Klassik als kulturelle Praxis. Funktional, intermedial, transkulturell
Im Zuge der letzten großen Klassikdiskussion in den 1990er Jahren wurde Klassik als ein vom Spannungsverhältnis zwischen Normativität und Historizität (Wilhelm Voßkamp) gekennzeichnetes Phänomen definiert. Diese Paradoxie will der Band aufheben, indem er von der Frage nach dem Wesen von Klassik(en) und Klassikern absieht und den Blick stattdessen auf die Grundlagen und Mechanismen ihrer Langlebigkeit richtet. Klassisch sind diejenigen Phänomene zu nennen, die je nach Kontext und Bedarf in ihren Funktionen bestätigt, reaktualisiert, adaptiert, kurz: gebraucht werden. Klassik wird diesem Verständnis zufolge als eine in intermedialen und interkulturellen Rezeptionsprozessen erfahr- und beobachtbare kulturelle Praxis aufgefasst.
Der Band versteht sich als Grundstein für eine weitgefasste kulturwissenschaftliche Theorie der Klassik. Er versammelt Beiträge zum Gebrauch von literarischen, musikalischen und modischen Klassikern in Hoch- und Populärkultur, Politik und Gesellschaft, in vielfältigen medialen und (national-)kulturellen Kontexten, die Anstoß zu weiteren Analysen in unterschiedlichen Fach- und Kulturbereichen geben sollen.
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Matuschek, Stefan, Univ.-Prof. Dr. Projektleitung Lehrstuhl Neuere deutsche Literatur, Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft
Frommannsches Anwesen, Raum 122, Zenkerhaus
Fürstengraben 18
07743 Jena -
Wiesing, Lambert, Univ.-Prof. Dr. Projektleitung Arbeitsbereich Philosophie mit Schwerpunkt Bildtheorie und Phänomenologie
Raum 213
Ernst-Abbe-Platz 8
07743 Jena